Dirty old town Dublin

Newgrange ist quasi die irischen Wiege der Menscheit. Der große jungsteinzeitliche Grabhügel ist einer von dreien in der Gegend (neben Knowth und Dowth) und wird noch einmal gut 1000 Jahre älter datiert als die Pyramiden von Gizeh. Er hat einen Durchmesser von 90 Meter und im inneren befindet sich eine Passage, die zu einer kreuzförmigen Grabkammer führt. Diese Kammer ist so erhalten, wie sie damals erbaut wurde, während das Äußere eine Rekonstruktion, also Interpretation der archäologischen Untersuchungen aus den 60er/70er Jahren ist. Wenn man im Inneren der Kammer ist, erkennt man, dass die Ausrichtung des Eingangs so ist, dass das Licht durch den Eingang und die darüberliegende 'roof box' genau in die Kammer fällt - und zwar immer zur Winter- bzw. Sommersonnenwende. Diese Tatsache, die Bauweise mit Monolithblöcken, die den Fundamentkreis bilden und die auf den Steinen zu erkennenden Verzierungen zeugen von besonderem Wissen der Erbauer. Die Steinzeichnungen werden stets als geometrisch abstrakt bezeichnet, was laut unserem Guide als Synonym für 'keine Ahnung, was sie bedeuten sollen' zu verstehen ist. Es ist ein tolles Gefühl in einem so alten Bauwerk zu stehen!

Nach diesem Ausflug in die Jungsteinzeit fahren wir nach Enniskerry, südöstlich von Dublin. Dort haben wir ein Zimmer bei Marie gebucht, und als wir die Kieseinfahrt zu dem am Berg gelegenen Anwesen hinauffahren, schwant uns, dass die Unterkunft keine Besenkammer sein wird. Marie und ihr Mann Finnbar begrüßen uns herzlich, ebenso Sohn Barry, der aus London zu Besuch dort ist, und Tochter Jennifer, die verschwitzt vom Crossfit zurückkehrt. Außerdem die zwei Labradore Beat und Buzz (benannt nach Buzz Lightyear aus Toy Story). Jasper stellt sich auf Englisch vor und ist dann plötzlich für die kommenden 60 Minuten verschwunden: Marie hat ihm die Ecke mit Spielzeugen und Büchern im zweiten Wohnzimmer gezeigt, und in letztere taucht der kleine Bücherwurm sofort ein. Zwischen Finnbar und Jasper entspinnt sich ein großes Band der Zuneigung, Finnbar ist offensichtlich ganz hin und weg von ihm. Jasper geht es ähnlich, denn Sabrina wird vom Puzzlen ausgeschossen mit den Worten: "Nein, Mama, du sollst nicht hier sein. Ich puzzle es doch mit Finnbar!" Das Haus ist riesig und bietet neben Zimmern für die Familie insgesamt 4 Airbnb-Zimmer, drei Wohnzimmer, zwei große Terrassen, mehrere Bäder. Und das beste ist, dass Marie, Finn und auch der Rest der Familie, die am Sonntagabend zum Grillen anrückt, total entspannt, sehr sympathisch wahnsinnig angenehme Gastgeber sind.

Wir verbringen drei Nächte dort und sind am Samstag und Sonntag tagsüber in Dublin unterwegs. Das Auto parkt im benachbarten Bray und wir fahren von dort mit dem Zug in die Stadt. Wir steigen an der Tara Station aus und landen damit unweigerlich im alterwürdigen Trinity College. Im Innenhof der ältesten Universität Irlands wird der Verkehrslärm durch die Unterhaltungen der vielen Touristen abgelöst. Es scheint zum Pflichtprogramm zu gehören, die Uni von u.a. Swift, Stoker, Beckett und Wilde zu besuchen. Auch andere Ecken Dublins zeugen durch zahlreiche Büsten und Satuen vom literarischen Erbe dieser Stadt. So kommen wir kurz danach im Stephens Green an Denkmälern für Yeats und Joyce vorbei und im Merrion Square lümmelt Oscar Wilde auf einem Stein. Um den kulturellen Ansprüchen dieser Stadt zu genügen runden wir unseren Bummel mit dem Besuch der National Gallery of Ireland ab. In den zwei Tagen steht natürlich auch ein Besuch der Temple Bar an, das Viertel der Ateliers, Restaurants und Kneipen (allerdings wäre das wohl ohne kleine Kinder etwas aufregender). Wir erleben Dublin als entspannte und freundliche Stadt, die über eine besondere Atmosphäre verfügt. In einer Stadt, in der so viele Literaturnobelpreisträger gelebt haben, verwundert es auch nicht, dass jährlich am 16.7. einer Hauptfigur aus dem Roman Ulysses mit dem sogenannten Bloomsday gedacht wird und zahlreiche Fans mit Buch bewaffnet den Spuren des Dichters James Joyce folgen. Jener Joyce sprach von Dublin als dirty old town. Zumindest das hat sich doch sehr geändert. Dublin ist nunmehr eine hippe clean city und bietet dem Besucher ein abwechslungsreiches Panorama an faszinierenden Häuserfassaden, eindrückliche Mahnmalen z.B. an die Hungerjahre (the famine oder auch Molly Malone), altehrwürdigen Bauten (z.B. das Dublin Castle) oder die 121 Meter hohe Edelstahlnadel (the spire), die in den Dubliner Himmel ragt und uns an einen überdimensionierten Chop Stick erinnert. Wir wollen Dublin sehr gerne erneut besuchen (vielleicht aber auch ohne Kinder ;-)).
Damit endet unser Irlandaufenthalt, denn der nächste Tag führt uns (nachdem Jasper von seinem neuen Freund Finnbar noch ein Buch geschenkt bekommen hat) zur Dubliner Fähre nach Holyhead in Wales.

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