People make Glasgow

Wir verlassen Invergordon früh am Morgen, um die für schottische Verhältnisse lange Fahrt nach Dornie anzutreten. Dort lockt als Ziel das Eilean Donan Castle, das man z.B. aus dem Highlander-Film kennt - oder aus einem beliebigen Schottland-Prospekt, denn es ist wohl die meistfotografierte Burg. Die Fahrt dorthin ist toll und führt uns über eine kleine Single Track-Straße, auf der es immer wieder 'passing places' gibt um den Gegenverkehr vorbeifahren zu lassen. Wir überqueren kleine Brücken und große Lochs, sehen tolle Häuschen und elegante Anwesen, schieben uns an Schafen vorbei und sind vor allem von den riesigen Rhododendron-Sträuchern begeistert, die baumhoch und in vielen Farben wild wachsen. Nach einer kurzweiligen Fahrt vor Bilderbuch-Panoramen gelangen wir nach gut 130 km zum Castle, und wir sind nicht allein. (Klein-)Busweise kommen die Besucher hier zusammen, und dass es auch viele aus außereuropäischen Ländern sind, merkt man daran, dass es auf den Toiletten den Hinweis gibt, das Toilettenpapier doch bitte in der Toilette und nicht im Mülleimer zu entsorgen sei (zuletzt lasen wir in Costa Rica die genau entgegengesetzte Aufforderung). Es ist auch das erste Castle, bei dem wir den Eindruck haben, dass die Preise im Café und dem obligatorischen Gift Shop stark überzogen sind. Während wir bisher über die Preisgestaltung bei anderen Sehenswürdigkeiten eher positiv überrascht waren, hatten wir hier das Gefühl, dass man den Besuchern schlicht das Geld aus der Tasche ziehen möchte. Da das Castle recht gefüllt ist, beschließen wir, es bei der Außenbetrachtung zu belassen und fahren nach einem Stopp im Café weiter auf die Isle of Skye. Über die hohe gebogene Skye-Bridge gelangen wir auf die Insel, zusammen mit Regen, der im Laufe des Tages immer stärker werden sollte. Die Insel erfüllt alle Klischees, die man so im Sinn hat, aber der gut gekleidete Lord kann an diesem Tag den alten, aber schicken Ashton Martin nicht offen fahren.

Unser Mittagsstopp ist in Portree, 'Hauptstadt' der Insel, was man aufgrund des Besucherandrangs auch vermuten kann, aber da bei dem fiesen Wetter keiner draußen sein möchte, tummelt sich alles in den Cafés und Restaurants. Wir steigen wieder ein und verlassen die Insel, fahren erneut am Eilean Donan Castle vorbei und bewegen uns in Richtung des südwestlichen Endes von Loch Ness, wo wir am Caledonian Canal eine Holzbox gemietet haben. Es klingt komisch, aber wenn ihr das Bild seht, wisst ihr, was wir meinen. Das Innere der Box ist clever eingerichtet, so dass dort zwei Etagenbetten, eine Miniküche mit Herd, Kühlschrank und Waschbecken, ein kleiner Kaminofen und eine "Sitzecke" bestehend aus zwei Hockern und einem rollbaren Tisch Platz finden. Gerne hätten wir die unter den Betten gelagerten Terrassenmöbel ausprobiert, denn draußen zu sitzen mit Blick auf Ceann Loch und die kleine Schleuse am Beginn des Kanals wäre bestimmt schön gewesen. Daraus wurde aber so gar nichts, denn sobald man draußen war, wurde man von Minimücken attackiert, die gerne direkt auf Kopf und Haare losgehen (Die Marienauer wissen, wovon wir sprechen). Ob es an diesen feuchten Witterungsbedingungen lag oder dort immer so ist, lässt sich nur vermuten - die erfahrenen Paddel- und Hiking-Touristen erkannte man jedenfalls daran, dass sie Hüte mit Imkernetzen trugen. Die Nacht war dann auch nur so mittelgut, da der zahnende Justus a) schwer ins Bett zu kriegen war und so aufgedreht war, als hätte er Kaffee getrunken, und b) auch super unruhig geschlafen hat. Kurzum, die Kisten-Übernachtung bleibt ein einmaliges Erlebnis, zumal es auch die teuerste Nacht im Preis-Quadratmeter-Verhältnis war.

Der Morgen beginnt erneut verregnet und wir brechen früh auf (die aus der Nachbarhütte fanden es wohl auch nicht so prickelnd, denn sie kamen abends nach uns an und schafften es morgens noch eine halbe Stunde vor uns das Feld zu räumen). Die Route führt uns zunächst nach Glenfinnan zum gleichnamigen Monument und Viaduct, letzteres kennen alle, die Harry Potter - Filme gesehen haben, weil darüber der Hogwards Express sauste. Der Weg führt uns über Fort William zur Mittagspause in ein einrichtungsmäßig sehr schräges Lokal, das aber tonnenweise Bücher (Jasper) und buntes Spielzeug (Justus) bot und unerwarteter Weise leckeres Essen  servierte. Wir hielten uns länger auf als geplant, aber da wir außer rumfahren bis nach Glasgow nichts zu tun hatten, kosteten wir die Pause dort aus. Kaum wieder im Wagen, passierten wir den nahe gelegenen Ben Nevis (höchster Berg Schottlands), dessen Gipfel sich jedoch hinter dichten dunklen Wolke  verbarg. Vorbei an zahlreichen Lochs entlang des A82 erreichten wir schließlich den Ort Glencoe, das das Eintrittsportal in das Tal Schottlands ist. Und auch wenn die Welt außerhalb des Autos im Regen versinkt, so ist die Fahrt durch das Tal beeindruckend. Wäre das Wetter besser gewesen, hätten wir wegen noch mehr Fotostopps wohl doppelt so lange gebraucht, denn es ist wunderschön dort. Auch der angrenzende Nationalpark Loch Lomond, durch den unser Weg führt, ist unglaublich schön und so sehen wir viel mehr als wir eigentlich erwartet hatten.

Unsere nächste Unterkunft ist in Glasgow in der Vorstadt nördlich des Flusses Clyde, doch das hindert uns nicht daran, ihn erstmal in südlicher Richtung zu überqueren - uneindeutige Führung des Navis, viel Verkehr (denn hier kreuzt die M 8) und die verpasste Chance, noch mal eben die Spur zu wechslen werden uns in den kommenden Tagen noch mehrfach Irrwege fahren lassen, wohlgemerkt an immer denselben Stellen :-) Aber dann schaffen wir es doch und finden uns in einer hübschen Dreizimmerwohnung wieder, die eine große IKEA-Tasche mit viiiel Spielzeug für die Jungs bereit hält und Justus den derzeit notwenigen Teppich und Raum für seine Radius-Erweiterungen bietet. Justus entdeckt doch tatsächlich, dass Krabbeln neben der Delfin- oder Raupen-Technik eine echte Alternative darstellt und er zieht sich weiterhin fröhlich hoch, weshalb wir für die Teppich-Polsterung dankbar sind, denn am Abgang muss er noch ein wenig feilen. Ein besonderes Highlight ist auch, dass allabendlich um 19:30h ein Eis- und Süßwarenwagen mit lauter Musik (wie im Kino-Eis-Spot) seine Ankunft ankündigt. Sabrina ist außerdem von dem riesigen Tesco-Markt begeistert, der unsere Einkaufsquelle für die nächsten Tage sein wird - dort gibt es alles, was man so im Leben braucht, auch Kinderbücher auf Englisch.

Der nächste Tag ist der Besichtung der größten Stadt Schottlands (600.000 Einwohner) gewidmet und beginnt an der Cathedrale, die mit allerlei extra Kapellen, einer Krypta und tollen Buntglasfenstern aufwartet. Es ist die einzige Kirche in Glasgow, die zur Zeit der Reformation nicht zerstört wurde. Noch bemerkenswerter ist allerdings die angrenzende Nekrople, die einst von reichen Glasgower Kaufleuten angelegt wurde, um sich einen besonderen Platz nach dem Ableben zu sichern. Hohe, reichverzierte Grabsteine und Mausoleen winden sich um einen Hügel hoch über der Stadt und die Ausdehnung der Totenstadt ist groß. Von diesem Hügel führt uns ein Stadtspaziergang entlang der Castle Street ins Zentrum vorbei an großen repräsentativen Gebäuden wie den City Chambers zum George Square. Letzteres Gebäude besticht einerseits durch ein ausladendes Äußeres, aber auch durch ein reich ausgestattetes Inneres mit Mosaiken und griechischen Statuen. Auf dem George Platz gönnen wir uns bei Cappuccino und Muffin wie so viele eine Auszeit, denn der Tag ist sommerlich warm und jede Bank und jeder Rasenflecken ist belegt. Justus 'unterhält' sich mal wieder mit den Leuten in direkter Umgebung und versüßt den beiden Banknachbarinnen die  Mittagspause, während Jasper den Tauben hinterher jagt und gleich darauf in Deckung geht, wenn die Möwen heranstürmen, weil sie den Tauben die Brotkrümel abjagen wollen. In der Mitte des Platzes erinnern die vielen, in Gedenken an den Anschlag von Manchester niedergelegten Blumen, daran, dass das Leben nicht immer so sorglos und beschwingt ist wie an diesem Tag. Den Rest des Tages lassen wir uns durch die quirlige und gut gelaunte Stadt treiben vor allem entlang der Fußgängerzone 'Buchanan Street', wo an jeder Ecke Musiker spielen. Einige haben echt was drauf, andere wohl eher Geltungsdrang, und dann gibt es auch noch einige verwirrte Exemplare wie die singende rosa Ballerina oder der trommelnde Tin Bin Man, deren Motive im Dunkeln bleiben. Uns gelüstet nach einem Eis, aber da die nächte Eisdiele noch fern ist, teilen wir uns eine Halbliter-Pott Häagen Dazs -Eis, während wir Musikern der zweiten Kategorie vor der Royal Concert Hall lauschen. Apropos lauschen: Wir bemühen uns redlich, aber es ist, als würden die Menschen in Glasgow eine völlig andere Sprache sprechen als ihre Mitmenschen im Rest von Schottland, da war selbst Alan auf der Farm in Keith besser zu verstehen. Bei der Sandwichbestellung erschließen sich einige Fragen der Mitarbeiterin (white or brown bread?) nur aus dem Zusammenhang, denn von Verstehen - und es liegt nicht an der Akustik - kann keine Rede sein.

Der zweite Tag ist wettertechnisch ein Rückschlag, da regnerisch und kalt, weshalb sich das Frühstück in die Länge zieht, weil keiner raus möchte. Als wir uns dann doch entschließen, das Riverside Museum zu besuchen, zieht sich der Weg dann auch in die Länge: Google Maps berechnet für den Weg 12 Minuten, hat aber natürlich die individuelle Note einer Reise nicht berechnt, und so erreichen wir das Museum of Transport and Travel erst nach halbstündiger Fahrt sowie mehreren Schleifen über den Clyde und die M8 inklusive einer rechtsverkehrigen Abbiegung, die uns Kopfschütteln der schottischen Verkehrteilnehmer einbringen. Die strapaziöse Fahrt hat sich aber gelohnt, denn das Museum mit all den Autos, Bussen, Schiffen, Trams usw. aus den verschiedenen Jahrzehnten begeistert uns alle. Und so endet ein schöner Aufenthalt in Glasgow, denn morgen geht es zur Fähre nach Larne in Nordirland. Die Fahrt dorthin führt noch einmal an einer idyllischen Küste entlang und so endet unser Schottlandaufenthalt mit Eindrücken von einem Land, die einem Rosamunde Pilcher-Roman entspringen könnten.

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